Sie müssen mal auftanken. Sich in neue Richtungen bewegen. Die Atmung mit Salzgehalt anreichern. Überwinden der Schwerkraft des Alltags. Einatmen. Ausatmen.

Poesie möglicher Welten
Sie müssen mal auftanken. Sich in neue Richtungen bewegen. Die Atmung mit Salzgehalt anreichern. Überwinden der Schwerkraft des Alltags. Einatmen. Ausatmen.
Da hüpft etwas Grün im Grünen. Ein Meister huscht zu seinem abendlichen Konzert. Im Dreivierteltakt. Die Melodie ist schon angestimmt, es gilt sich zu bücken und das Ohr ganz nah gen Boden zu neigen. Komm setz dich dazu, Mensch.
Gereiht wie Perlen auf der Schnur, im Wechsel von vier: rot, gelb, grün, blau. Lichtmuster werden zur Lichtkur, denn da ist Erkenntnis im Spiel – sind wir selbst einfach nur ein Muster?
Die Kraft der Natur in epischem Ausmaße. Der letzte Tag von Pompeji. Brjullow. Ergriffenheit im Russischen Museum, St. Petersburg. In Gedanken zu diesem Bild gewandert als das Hochwasser kam mit seiner tödlichen Dosis. Natur ist universell. Eine Mutter fleht, ihr Sohn möge fliehen. Damals wie heute.
Wie viel interessanter wird etwas, ist erst einmal das Muster durchbrochen. Kratzer am Glanz. Verschönernde Gedanken und Einheit weichen dem Wahren. Ein Grund zum Innehalten. Ein Geschenk des Augenblicks.
Sommerlicher Markttag. Es riecht nach gebackenem Fisch. Erste Herbstblumen locken zum Kauf. Ein älterer Herr kramt in seinem riesigen Geldbeutel. „Bitte, können Sie die Groschen zählen? Ich kann sie nicht mehr erkennen“, hält er eine lederne Börse hin. Ein Strauß Astern ist nun sein. „Meine Frau liebte die. Jetzt stehen sie auf ihrem Grab.“ Er bekommt das Wechselgeld zurück, die Marktfrau erhält Erinnerungen. Momente des Teilens.
Angehalten, ausgestiegen, um Schnappschuss gebeten. Die Welt in drei Sekunden: der Mensch zerlegt und gepuzzelt in Einzelteile. Arme vertauscht, Rumpf und Beine geliehen vom Anderen. Humaner Bausatz in all seinen Variationen. Göttliche Komödie.
Vorher lag sie da auch schon. Dann kam die Pandemie. Jetzt liegt die Wiese wieder vor mir. Nur jetzt mit anderen Augen gesehen. Mit Menschen im Freien und in Gruppen. Ich stehe im Museum und trage Maske. Die Welt da draußen als Ausstellungsstück für die neue Normalität. Illusion und Wirklichkeit tauschen die Rollen.