Trugbild

Ich warte am Gleis 14. Und dann ist es doch das, was ich denke, das es ist. Immer mehr Dinge entwickeln ein Eigenleben: Von außen tump und schlicht, von innen intelligent. Heute ein Wischeimer nebst Lederlappen, der unbegleitet rauf- und runterfährt. Morgen sind es Züge, die pünktlich sein möchten.

Grabeskälte

Der Dom in Speyer. Ein wahrlicher SUV unter den Dombauten. Durch das monumentale Eingangsportal aus Bronze tritt der Besucher ein und findet sich als Sandkorn unter dem Gewölbe der Herrlichkeit. Dem sinnlichen Eindruck jahrhundertgeronnener Nüchternheit folgt ein Schauder eisiger Kälte.

Ein beflissener Diener des Herrn herrscht einen Besucher an: „Setzen Sie hierin den Hut ab!“

Wenn mal alle Talarträger sich so strikt an Regeln gehalten hätten!

Wie klein und armselig wir Menschen doch sind in solchen Bauwerken. Ich fürchte, Gott wohnt hier gar nicht. Er kuriert höchstens seine dort eingefangene Erkältung aus und sitzt im frühlingshaften Rheinauengarten zwischen den Gänseblümchen und den Menschen. Er schaut auf den Rhein. Alles fließt.

Ich hab´s eilig, der Grabeskälte zu entfliehen.

Schrate

Sie sind ein scheues Völkchen. Schenkten mir eine Feder, die jetzt meinen Hut ziert. Sie kommen nur im Schutz der nebligen Morgenröte ans Fenster. Wispernd und aufgeregt erzählen sie Neues von hinter dem Fluss. Zeigen sich bestürzt über Bombenhagel im Osten.

„Was tun diese Menschenwesen da?“

Ich kann es auch nicht erklären: „Es ist noch widersinniger als eure Existenz.“

MexMex

Heute jährt sich unser Ausflug zum dreißigsten Mal. Mexiko. Poesie einer eigenen Welt. MexMex.

Mit Rucksack von Mexiko Stadt bis Mérida. Per Bus. Stef und ich reisten mit Einheimischen, Hühnern, Schweinen. Versuche über Umweltverschmutzung zu diskutieren. Im Dschungel von Schlangen umgeben. Pyramiden besteigen. Den Popocatepetl erklimmen. Die Rache Montezumas. Tagebuch schreibend.

Jürgen Klinsmann als Eintrittskarte für Gratisfahrten mit dem gelben VW um den Zócalo. Nur wir sehen einen grünen Mond.

Eine Einheimische nimmt mich auf dem Markt ins Visier: Du Kinder? Bald Sohn.

Damals Abenteuer. Heute Femizide an der Tagesordnung.

Vokalschlüssel

Update:

Der Paradiesbauer las diesen Post und zeigte sich verwirrt. Was ich denn sagen wollen würde in Wort und Bild? Dächte ich über Leser hinweg, die ich entweder provoziere ob einer Nullaussage, oder sei ich zu hastig gewesen, habe den geneigten Leser nicht ausreichend mitgenommen in meinen Gedanken?

Meine resignierendes Lachen enthielt die Antwort: Wer liest das hier schon, die Gedankenwelt einer, aus der Welt gefallen.

Nun. Ich will deutlicher werden – Vokale, sie sind die Perlen der Sprache. Töne, geformt in unseren Mündern, in jeder Ecke auf jeder Zungenseite formbar. Sie sind ein Schlüssel zur Welt.

A-E-I-O-U. Ü-Ö. EU-AU-EI. In ihnen liegt der Zauber der Sprache, das Perlende. Die Kraft, Tore zu öffnen.

Hinterzungenvokal. – Vorderzungenvokal. – Schlüssel. So gelungen. So ein Wunder. So Kleinodien, die ein ganzes Universum mit Sinn füllen können.

Und dann schwingt sich dieser Tage das Dunkle auf, ein unschuldiges Z in die Welt zu schicken, den letzten Buchstaben im Alphabet zu verunglimpfen, ihn auf Panzer zu malen, militärisch olivfarbig unterlegt, ein weißes Z für Zerstörung, Zerstümmelung, Zukunftstod. Kein Vokal in Sicht. Kein Schlüssel für Frieden, keine Zwischentöne. Z. Zett. Ich wünschte dir A-E-I-O-U an deiner Seite.

Lichterloh

Auf dem Fahrrad sinniert in Sonne gehüllt, am Himmel Eurofighter. Was ist ein schönstes Ereignis gewesen in diesem Leben in Freiheit? Auf jeden Fall ein Sein als Renegate. Am Ende bleibt nur Liebe. Nein, keine Esoterik, nüchterner Verstand. Mit dem Herzen ostwärts.

Inter. Lichtmuseum Unna; Adela Andea