Salzkristall

Architektonisch verwinkelt, ergeben mehrere Gradiermauern einen grottigen Innenraum. Verwunschen schön.

Tröpfchen für Tröpfchen trägt die Sinne weit an die Küste. Zarter Salznebel legt sich auf trockene Haut. Ein Konzert in Dur und Moll.

Knorriger Schwarzdorn in Allianz mit Wasser und Salzkristall zieht in seinen Bann. Vergessen das da draußen. Augenblicke des Ein und Aus.

Sommergenuß

Mit beiden Händen in den Mund gestopft, die Zunge umrundet den Kern, in hohem Bogen ausgespuckt auf die Wiese. Eine Gabe, nur kurz.

Hoch oben sitzen sie schon, die Amseln, die Kolkraben, ihnen schmeckt das saftige Rot ebenso.

Im Takt von fettem Technobeat professionell entkernt. Marmelade strömt ihren süßen Duft durchs Fenster. Im Winter erinnern mich die roten Früchte an damals, als wir ernteten.

Kreuz hoch drei

Dieser Tage ist eine Interpretation kaum naheliegender als die aktuelle traurige Trias der Welt: Krieg, Hunger, Klima.

Da blüht der Lavendel und der Duft ist betörend.

Mir fällt keine Lösung ein. Ratlosigkeit hoch drei ist noch schlimmer.

Kulturwettbewerb

Die Kultur der Schrift wird geschätzt und geliebt. Ihre ordnende Ruhe. Wie oft gibt sie uns Hinweise, Anweisungen und wie brav folgen wir den Geboten auf Schildern. Die Amtssprache, sie ringt uns Respekt ab.

Nun ist eine Kulturpflanze angetreten, den Wettbewerb der Kulturen zu gewinnen. Ungezügeltes Grün obsiegt über schwarz auf weiß der Gemeindeverwaltung.

Wie lieb ich den Sommer gewinne, wo sich solche tektonischen Verschiebungen ganz leise einstellen und revolutionäre Fakten schaffen.

Radikal Subjektiv

Jede Meinung zählt. Sie ist nur nicht so nahe an der Wahrheit wie das Wissen. Neuerdings lese ich einen online Newsletter meiner Heimatzeitung als Beiwerk zur Zeitung – exklusiv werde ich angemailt und mit Namen angesprochen.

Und lerne im Laufe der donnerstäglichen Ausgaben gleich die ganze Familie und Verwandtschaft der Autorin kennen. Nun bin ich über die Monate wie eine Serienkonsumentin im Bilde, weiß, wann welches Kind mit welchem Bus zur Schule fährt, was der Hund frisst und der Ehemann für Hobbies hat. Eine Durchschnittsjournalistenfamilie hält her als Zeugenschaft fürs Lokalgeschehen.

Neulich wurde mir auch die Cousine noch vorgestellt, im Text. Der Schreiberin Bewußtsein grenzt an echtes Fürwahrhalten dessen, worüber sie schreibt.

Eine Meinung ist mein. Nur leider steht das nirgends. Es wird für wahr verkauft. Radikal Subjektiv – müsste die wichtigste Überschrift lauten. Oder: „Bitte klicken Sie weiter unten, wenn Sie den Newsletter nicht weiter beziehen möchten.“

Kein Klick. Gespannt, wo und wie das endet. Begreifendes Erkennen, den Blick zu weiten?

Welterzeugung

Es sind drei Freundinnen. Mit hellen Stimmen verhandeln sie die Welt. Lachen, zeichnen, entwerfen. Die Sonne schenkt ihnen einen eigenen Kosmos, Umrisse auf dem grauen Asphalt.

Spazierwandler bleiben stehen. Ein Unikat, das hier. Und doch ein jeder kennt es, die Sonne, sie war auch in unserer Jugend ein Garant für Entdeckungen. Neue Formen, Schöpfung aus dem Nichts gezaubert.

Ein Schmunzeln, die Kamera gezückt. Entzückt.

Meer

Die Flure sind leer, ganz still das Haus. Die Betten warten auf den nächsten Patienten. Allein das Blau, es vibriert, in seinen Tiefen die Fische, lebendig beweglich in Wellen und Wogen. Sie umkreisen den Betrachter.

Eine Schwester huscht über den Flur, ihre Gummisohlen quietschen auf dem Linoleum. Ein kleiner Windhauch und das Plastik über den Betten hebt sich, wie Seufzer. Sie lassen sich wieder fallen wie von Geisterhand gezupft.

Stille. Gedanken, die schweifen. Wie wäre es jetzt am Meer, wenn das Meer an Pharmazie erst in einem selbst vertropft ist und der Zugang entfernt. Freiheit.

Unschätzbar. Kostbar. Das echte Leben zwischen Bild und Bett.

Element

Im eigenen Element sein. Schwarz und weiß. Eckpunkte, deren Begrenzung zu sprengen ist. Ab hier würde ich auf Buntstifte umsatteln. Unerschöpfliche Farbpaletten ausschöpfen. Flächen färben, je bunter desto besser.

Mifune

Pure Energie, ein Hauch ganzer Welten. Licht in allen Farben ändert alles. Sinne, verzaubert, das Künftige leicht und beschwingt.

Zwinkerndes, strahlendes Blau, zwei funkelnde Sterne. Wie Wolkensüße. Unzertrennlich verquickt auf jetzt mit jeder Minute.

Mifune. Meine Melodie.

Minusdynamik

Selbst ein banger Blick in den Himmel reicht nicht mehr. Da probt der Krieg mit Abwehrradar. Fahle Versprechen enden schon jäh hinter der diffusen Bezeichnung von „morgen“.

Wir seien in einer neuen Welt aufgewacht, eine Zeitenwende sei eingeläutet. Ist das nicht jeden Tag der Fall? Steckte das Ungewisse nicht stets in der DNA des Lebens? Was machte uns so sicher, es ginge unablässig so weiter?

Die Minusdynamik der Veränderung summiert sich. Unsicherheit wabert in unsere Zellen.

Das aber ist geradezu menschlich. Es belebt. Löst Muster auf. Denkbar ist Anderes, die Poesie möglicher Welten.